In diesem Wohnhaus in der früheren Kirchstraße lebte Familie Schmidt. Es wurde ca. 1717 gebaut.
Der 1880 geborene Sohn Wilhelm, Großvater von Hans-Albrecht Gerich, machte zuerst eine Schneiderlehre und arbeitete dann hier als Schneidermeister. Man nannte ihn auf Platt: De Snieder. Er bildete auch Lehrlinge aus.
Im Nebenerwerb betrieb er Ackerbau (4 ha) mit Kuhgespann.
Wilhelm Schmidt hatte noch drei Geschwister: Sein Bruder Otto betrieb eine Rossschlachterei in Staßfurt, seine Schwester Marie zog nach Berlin und seine Schwester Martha blieb mit im Haus wohnen.
Aus der Ehe von Wilhelm und Hermine (aus Freckleben) gingen drei Kinder hervor: Lieselotte, Irmgard und Werner. Da das Haus dann zu klein war, wurde es um 1920 aufgestockt.
Weil Wilhelm Schmidt ein Geschäftsmann war, gründetet er zu dieser Zeit auch die Rohkonservenfabrik. Produktionsstätte und Büro entstanden im ehemaligen Garten der Familie im Kleinen Damm. Auch Wilhelms Schwester Martha arbeitete dort mit.
In der Fabrik wurden unter anderem Salz- und Gewürzgurken, Kohl (für Sauerkraut) und Blumenkohl (für gemischtes Eingelegtes – heutige Bezeichnung: Mixed Pickles) verarbeitet. Später folgte noch die Errichtung eines Salzturmes, in der die Lake zum Einlegen angemischt werden konnte.
In der Einlegerei wurden Gewürzgurken und gemischtes Eingelegtes direkt in Gläser gefüllt und in einem großen Kessel eingekocht. Der Weißkohl (Sauerkraut) und die Salzgurken wurden in Fässern verarbeitet. Die Salzgurken wurden dann in große Dosen abgefüllt.
Als Wilhelm Schmidt 1939 starb, war sein Sohn Werner noch zu jung, um das Geschäft zu übernehmen. Die Witwe Hermine heiratete deshalb den Bruder der Schwiegermutter von Lieselotte, August Kortum aus Atzendorf. Dieser führte mit ihr die Konservenfabrik weiter.
Als Werner seine Ausbildung zum Handelskaufmann abgeschlossen hatte, pachtetet er die Rohkonservenfabrik von seiner Mutter Hermine und führte die Geschäfte.
August Kortum richtete deshalb um 1950 in einem unteren Raum des Wohnhauses eine Geschäftsstelle der Sparkasse Calbe ein, die er bis Mitte der 60er Jahre dort betrieb. Mit dem Bargeld unter dem Arm wanderte er dann öfter über den Wartenberg zur Hauptstelle nach Calbe, um es dort einzuzahlen.
Im oberen Teil des Wohnhauses wohnte Werner mit seiner Familie.
Die Rohkonservenfabrik existierte noch bis 1965. Da Werner keine Modernisierungsmaßnahmen durchführte, bekam er dann allerdings Auflagen bezüglich der Hygiene. Er wollte aber nicht in die Fabrik investieren und pachtete stattdessen eine modernisierte Konservenfabrik in Calbe, wohin er dann auch verzog.
Von seiner Mutter Hermine bekam er die Rohkonservenfabrik als Erbteil, die er dann an die LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) als Lagerhalle für Zwiebeln verkauft. Aufgrund der Bauweise wurde das Gebäude zuletzt als Jungviehstall für Mastrinder genutzt. Nach der Wende 1989 stand es dann leer und musste später wegen Einsturzgefahr abgerissen werden.
Inzwischen war Hermines Enkel, Hans-Albrecht mit seiner Frau Annedore im oberen Bereich des Wohnhauses eingezogen. Hans-Albrecht ist der Sohn von Irmgard und Alois Gerich, einem Österreicher, der durch die Kriegsgefangenschaft nach Staßfurt kam.
Hans-Albrecht Gerich und sein Sohn Martin kauften das Grundstück der ehemaligen Rohkonservenfabrik von der LPG später wieder zurück.