Erntekindergarten

Text: Uwe Ulmann/ Fotos: Archiv Heinz Skuhrovec

Als Erntekindergärten werden spezielle Kindergärten bezeichnet, die in ländlichen Gebieten während der arbeitsreichen (Ernte)Monate, meist von April bis Oktober oder November, eine Kinderbetreuung anbieten. Erntekindergärten wurden eingerichtet, um die Landbevölkerung vor allem während der Sommer- und Herbstmonate in der Form zu unterstützen, als dass die Mütter der Landwirtschaft als vollwertige Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Weit verbreitet waren die Erntekindergärten vor allem zur Zeit des Nationalsozialismus und in der DDR.

Spätestens seit Beginn des 19. Jahrhunderts ist die Institution des Erntekindergartens überliefert. Für das Jahr 1802 ist der Betrieb eines Erntekindergartens im Fürstentum Lippe überliefert. Dieser wurde von Pauline Christine Wilhelmine zur Lippe, der damaligen Regentin des Fürstentums, eröffnet. Mit dieser Einrichtung stellte sie sicher, dass die Bäuerinnen während der Ernte uneingeschränkt arbeitsfähig waren.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden im gesamten Deutschen Reich verstärkt Erntekindergärten eingerichtet. Diese wurden durch die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt kontrolliert und geführt. Einzig in der Sonderform der Erntekindergärten, die schon vor 1933 bestanden (so gab es beispielsweise 1932 in Pommern 27 solcher Einrichtungen und durchschnittlich dreiviertel des Jahres in Betrieb waren, erreichte die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“ (NSV) die alleinige Zuständigkeit. Zeitgenössische Statistiken der NSDAP-Reichsleitung verzeichnen für den April 1934 um die 450 Erntekindergärten, deren Anzahl bis in den Herbst des Jahres auf etwa 700 anstieg. Nach dem Anschluss Österreichs wurden auch diese Gebiete mit zahlreichen solchen Einrichtungen versehen. Für das Jahr1938 gab der Kindergarten 5.575 und für das Jahr 1939 6.000 bis 6.600 Erntekindergärten an, die unter NSV-Trägerschaft geführt wurden.

Gruppenbild vor dem Erntekindergarten – viele Kinder wohnten derzeit in Glöthe.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Gesellschaft wurde im ehemaligen Reichsgebiet damit begonnen, die sozialen Infrastrukturen wieder zu etablieren. Auch auf das Modell des Erntekindergartens wurde ab dem Ende der 1940er Jahre wieder zurückgegriffen. Vereinzelt wurden solche Institutionen in der Bundesrepublik und in Österreich geschaffen. Eine wesentlich größere Bedeutung und Verbreitung hatten sie jedoch in der DDR. In den folgenden Jahrzehnten wurden die meisten Erntekindergärten infolge der Entwicklung des Bildungswesens in ganzjährig geöffnete Kinderbetreuungsstätten umgewandelt.[1]

Glöthe

Durch ein Schreiben des Kreissyndikus vom Kreisausschuss des Wohlfahrtsamtes Calbe vom 03.05.1937 wurden die Bürgermeister des Kreises aufgefordert, die Notwendigkeit eines Erntekindergartens zu prüfen. Ziel war es, durch die Gründung „die weiblichen Arbeitskräfte auf dem Lande zum Arbeitseinsatz bei der Ernte freizumachen. Im Sommer 1937 wird es daher keine Landgemeinde mehr geben, in der die Arbeitsleistung der Frau für die Sicherstellung der Ernte durch die Sorge um ihre Kinder beeinträchtigt wird.“ Bei Notwendigkeit hatten sich die örtlichen NSV.-Amtsstelle an die Kreisamtsleitung der NSV zu wenden, um Unterstützung zu bekommen. Wurde das Erfordernis nicht gesehen, war eine Fehlanzeige mit eingehender Begründung erforderlich.

Bereits am 17.06.1937 wurde der der Pachtvertrag für das Grundstück am Feldweg nach Brumby (Grundbuch von Glöthe, Band 8, Blatt-Nr. 242) mit dem Rittergutsbesitzers Albrecht Köhne abgeschlossen. Dafür war eine Anerkennungsgebühr in Höhe von 5,00 RM jährlich zu zahlen.

Am 18.06.1937 wurde durch den Bauherrn, dem Bürgermeister der Gemeinde Glöthe, eine Baubeschreibung zum Neubau eines Kinderheimes mit Abortanlage für den Erntekindergarten der Gemeinde Glöthe auf dem Grundstück des Herrn Rittergutsbesitzers Albrecht Köhne in Glöthe, am Feldweg nach Brumby eingereicht.

Folgender Kostenvoranschlag lag dem Neubau eines Kinderheimes für den Erntekindergarten zu Grunde (in Reichsmark/RM):

  • Erd- und Maurerarbeiten                                          1.805,65
  • Zimmerarbeiten                                                       4.162,25
  • Dachdeckerarbeiten                                                    368,00
  • Klempnerarbeiten                                                       172,10
  • Tischlerarbeiten                                                        1.032,50
  • Malerarbeiten                                                             446,70
  • Sonstige Arbeiten                                                       280,00
  • Materialien                                                                 920,00


Gesamt                                                                        9.188,20.

An Hauptmaterialien wurden veranschlagt:

  • 5000 Mauersteine
  • 500 Verblender
  • 300 Zentner Zement
  • 60 Zentner Zementkalk
  • 110 m3 Sand und Kies
  • 5 m3 Bruchsteine

Steine und Kalk wurden z.B. vom Portland Cementwerk „Saxiona“ und Kies vom Rittergutsbesitzers Albrecht Köhne geliefert. Dabei kam es in der Folge aber auch zu Unstimmigkeiten.

Der Leih-Vertrag zwischen der Gemeinde Glöthe und der NS-Volkswohlfahrt e.V. wurde am 22.07.1937 geschlossen. Ein Mietzins wurde dafür nicht erhoben.

Bereits am 31.07.1937 teilte der Bürgermeister dem Amt für Volkswohlfahrt in Schönebeck mit, dass die zur Verfügung stehende Gelder zur Finanzierung des Erntekindergartens nicht ausreichen. Die benötigten ca. 2000,00 RM wollte die Gemeinde zinsfrei leihen und in ein bis zwei Jahren das Darlehen zurückzahlen.

Zur Überbrückung wurde am 02.08.1937 ein provisorischer Kindergarten beim Gastwirt Friedrich Klewe in Glöthe eröffnet. Dafür sollte Fräulein Frieda Feierabend als Helferin eingesetzt werden, da diese von der Gemeinde Unterstützung bezog und dazu noch 10,00 RM Entschädigung von der NSV erhielt.

Die Ausstellung des Bauscheines erfolgte am 18.08.1937.

Die Gemeinde Uellnitz nutzte den Ernte-Kindergarten ebenfalls. Der Gemeinde Glöthe entstanden jährlich 500,00 RM Unkosten. Diese setzten sich aus der Verzinsung des aufgewendeten Kapitals, laufende Abgaben und Unterhaltungskosten zusammen. Dafür wurden der Gemeinde Uellnitz für das Jahr 1938 100,00 RM durch die Gemeinde Glöthe in Rechnung gestellt. Dieser Betrag fiel dann jeweils jährlich an.

Die Eröffnung des neu errichteten Erntekindergartens erfolgte am „Geburtstag des Führers“ am 20.04.1938. Treffpunkt war um 14:00 Uhr am Erntekindergarten. Dazu wurden die Herren Laas und Köhne eingeladen. Der Bürgermeister der Gemeinde Glöthe sollte zusammen mit dem Ortsgruppenleiter dafür Sorge tragen, dass „es eine wirklich eindrucksvolle Feier wird.“

Die Gebrauchsabnahme eines Kinderheimes mit Abortanlage für den Erntekindergarten wurde am 25.07.1938 bescheinigt. Das Gebäude konnte nunmehr in Gebrauch genommen werden.

Die Gebäudeversicherung gegen Feuer wurde 21.05.1938 über eine Versicherungssumme 8.700,00 RM abgeschlossen. Der Jahresbeitrag für die Versicherung betrug 21,00 RM.In dieser Summe waren folgende Neuwerte (in RM):

  • Kindergarten                                7.990,00
  • Abortgebäude                              500,00


Gesamt                                                                       8.490,00.

Dazu kamen noch zwei Prozent Aufräumungsosten und Abrundung in Höhe von 210,00 RM. Am 24.10.1938 erfolgte eine Nachversicherung für die 160 m Umzäunung mit Eingang des Erntekindergartens. Der Wert wurde auf 500,00 RM festgesetzt. Der Jahresbeitrag für die Versicherung erhöhte sich auf 21,70 RM.

Die Gemeinde Uellnitz nutzte den Ernte-Kindergarten ebenfalls. Der Gemeinde Glöthe entstanden jährlich 500,00 RM Unkosten. Diese setzten sich aus der Verzinsung des aufgewendeten Kapitals, laufende Abgaben und Unterhaltungskosten zusammen. Dafür wurden der Gemeinde Uellnitz für das Jahr 1938 100,00 RM durch die Gemeinde Glöthe in Rechnung gestellt. Dieser Betrag fiel dann jeweils jährlich an.

Die Eröffnung des neu errichteten Erntekindergartens erfolgte am „Geburtstag des Führers“ am 20.04.1938. Treffpunkt war um 14:00 Uhr am Erntekindergarten. Dazu wurden die Herren Laas und Köhne eingeladen. Der Bürgermeister der Gemeinde Glöthe, Pg. Rusche sollte zusammen mit dem Ortsgruppenleiter, Pg. Knust dafür Sorge tragen, dass „es eine wirklich eindrucksvolle Feier wird.“

Die Gebrauchsabnahme eines Kinderheimes mit Abortanlage für den Erntekindergarten wurde dann am 25.07.1938 bescheinigt. Das Gebäude konnte nunmehr in Gebrauch genommen werden.

Die Gemeinde Glöthe wollte für den Erntekindergarten im Jahr 1938 einen Zuschuss von 700,00 RM zahlen. Diese Summe wurde aber für die Fertigstellung des Erntekindergartens verwendet. Eine weitere Überweisung an das Amt für Volkswohlfahrt konnte nicht erfolgen. Diese Aussage des Bürgermeisters führte zu einem regen Schriftwechsel mit dem Amt in Schönebeck (Elbe), die auf die Bezuschussung bestanden. Zugleich wurden 57,50 RM des Baumeister Leipold in Förderstedt für Sandkasten, Wippe und Fahnenstange in Rechnung gestellt. Das Amt teilte am 13.03.1939 mit, dass bis zur Zahlung sämtliche Vorbereitungen für die Neu-Eröffnung des Erntekindergartens zurückgestellt werden.

Nach vorliegenden Schreiben erfolgte eine Zahlung nicht, da der Erntekindergarten bedeutend mehr gekostet hat, als veranschlagt war. Zu den Mehrkosten führten u.a. die Wünsche der NSV zum Bau des Erntekindergartens. So wurde ein Brunnen mit Pumpe im Waschraum gebaut. Dadurch waren alle Gelder der Gemeinde verbraucht. Die Rechnung vom Baumeister Leipold wurde ebenfalls abgelehnt, da die Bestellung der Gegenstände nicht durch die Gemeinde erfolgte. Des Weiteren hatte sich die Kommune nur verpflichtet, die Herstellung des Gebäudes zu übernehmen. Alle anderen Gegenstände waren durch die NSV zu beschaffen.

Auch notwendige Ergänzungsarbeiten mussten 1939 auf Grund fehlender Mittel verschoben werden. Im August fehlten noch die elektrischen Lichtanlagen und die Dachrinnen. Außerdem musste die Brücke von der Straße zum Kindergarten repariert werden, um Unfälle von Kindern zu vermeiden.

1940 sollte die Gemeinde 800,00 RM zur Finanzierung des Erntekindergartens in den Gemeindeetat einplanen. Dazu kamen Spenden von Herrn Köhne und der Firma Laas. 1941 betrug der Zuschuss 400,00 RM. Durch das Rittergut Köhne wurden 300,00 RM und durch die Firma Laas 100,00 RM zusätzlich gezahlt. Das Rittergut hatte für 1942 angekündigt, nur anteilig für die Kinder von den Müttern, die dort arbeiten, zu zahlen. Das bedeutete, dass höchstens 100,00 RM entrichtet werden. Deshalb sollte die Gemeinde Glöthe ihren Zuschuss für 1942 auf 600,00 RM zu erhöhen und im Etat einzuplanen. Auf Grund eines großen Steuerausfalles wurde das abgelehnt. Es war sogar mit Kürzungen in allen Bereichen in der Gemeinde zu rechnen.[2]


[1] Quelle: Wikipedia

[2] Quelle: Salzlandkreis, Kreisarchiv, Akten